Ende des Zweiten Weltkrieges trafen auch im Kirchspiel Engter ab 1944/45 bis 1946/47 Flüchtlinge und Vertriebene aus den ostdeutschen Gebieten ein. Unterkünfte (Notbehelfe) fanden sie, bzw. sie wurden eingewiesen, bei einheimischen Bewohnern, Bauern, Hausbesitzern, Heuerleuten, Arbeitern. So entstand auch im Kirchspiel Engter eine Wohnungsnot.
Jahr: | 1810 | 1840 | 1870 | 1900 | 1910 | 1920 | 1930 | 1940 | 1950 | 1968 |
Engter | 620 | 850 | 780 | 720 | 790 | 800 | 800 | 820 | 1380 | 1754 |
Schleptrup | 700 | 820 | 700 | 710 | 720 | 720 | 720 | 730 | 1300 | 1613 |
Kalkriese | 820 | 1020 | 910 | 850 | 810 | 800 | 720 | 700 | 1200 | 983 |
Evinghausen | 360 | 350 | 300 | 280 | 280 | 270 | 220 | 200 | 400 | 238 |
Als sich nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 die Lebensbedingungen wieder
normalisierten, bemühte man sich auch, die Wohnverhältnisse zu verbessern.
In den Gemeinden Engter, Schleptrup und Kalkriese war zu der Zeit keiner bereit,
Baugrundstücke zu verkaufen. Im Herbst 1949 verhandelten Erich Bönisch und Hans
Marewitz mit ihrem Arbeitgeber Baron Hugo von Bar, Barenaue/Kalkriese, um Parzellen
in Lappenstuhl zu erwerben. Herr von Bar erklärte sich bereit, Grundstücke für
Siedlungen abzugeben.
Wie aus den wenigen vorliegenden Unterlagen zu erkennen ist, gab es zwischen Herrn
von Bar und den Gemeinderäten sowie Bürgermeistern der Gemeinden Engter und
Schleptrup verschiedene Auffassungen bezüglich der Bebauung "Lappenstuhls"
Im Schreiben vom 11. November 1949 von Herrn von Bar an den Landkreis Bersenbrück
-Kreishochbauamt- wird erwähnt, dass elf Bewerber bereit sind, sich in einer geschlossenen
Siedlung anzusiedeln. Im Norden begrenzt durch die Eigentumsgrenze, im Osten
begrenzt durch die Landstraße Engter-Vörden, im Süden durch den Lutterdamm, im
Westen wiederum durch die Eigentumsgrenze.
Da sich bei den Gemeinden Engter und Schleptrup immer mehr Baubewerber meldeten,
musste für Baugelände gesorgt werden. Daher lehnten die Ortsräte beider Gemeinden
und das Kreishochbauamt des Landkreises Bersenbrück mit dem Hinweis auf eine
Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten vom 3. September 1948 eine Bebauung
in einem nicht ausgewiesenen Baugebiet ab. Für die Bürgermeister und Gemeinderäte
der beiden Gemeinden kam nur eine Gesamtplanung "Lappenstuhl" in Frage.
Im März 1950 hatte Herr von Bar mit einigen Bewerbern Grundstückskaufverträge
abgeschlossen. Mit Schreiben vom 7. Juni 1950 zog er die gemachten Zusagen zurück
und gab folgende Begründung an:
"Am heutigen Vormittage setzte mich der Leiter des Kulturamtes Osnabrück von einem Erlass des Niedersächsischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 28. April 1950 in Kenntnis. Nach diesem Erlass darf für Grund und Boden, welcher von bodenreformpflichtigen Besitzern abgegeben wird, kein höherer Kaufpreis als der Einheitswert bezahlt werden. Nachdem mir dieser Erlass bekannt ist, habe ich kein Interesse mehr, Grund und Boden zu verkaufen. Ich ziehe hiermit sämtliche gemachte Zusagen zurück. Begonnene Rodungsarbeiten sind sofort einzustellen. Bereits in landwirtschaftliche Kultur genommene Flächen können abgeerntet werden, dürfen aber nach der Ernte nicht wieder neu bestellt werden. Nach dieser Mitteilung begonnene Kulturen sind für mich unerheblich und wird Herr Paetow das Betreten von Forstflächen durch Unbefugte nicht zulassen. Ersatz für aufgewendete Kulturarbeiten wird von mir nicht geleistet, da die Arbeiten vor Umschreibung des Grundbesitzes im Grundbuch vorgenommen sind."
Handbetriebene Winde zum Roden von Stubben. Stehend von links: Fritz Mergner sen., Walter Leu, Herbert Hanke, Fritz Mergner jun., Jupp Olschinka; sitzend: Max Wendland, Horst Lüdtke, Hans Lüdtke. Aufnahme von 1951 im Bereich der Spechtstraße.
Neben den stillen, unauffälligen Bewerbern müssen Erich Bönisch und Hans Marewitz erwähnt werden, da sie sich mit großer Leidenschaft für die Bebauung Lappenstuhls einsetzten. Erich Bönisch wurde von der "Interessengemeinschaft Lappenstuhl" zum Sprecher bestimmt.
Der Landtagsabgeordnete Ernst Bettermann, Rieste, wurde gebeten, sich einzuschalten, um die Verhandlungen mit den Kreis-, Bezirks- und Landesbehörden aufzunehmen. Durch seine Bemühungen und seine überzeugenden Argumente konnten die inzwischen aufgetretenen Probleme gelöst werden. Nach Zustimmung der Landesplanungsstelle im Juni 1950 konnte der Plan für das gesamte Siedlungsgebiet "Lappenstuhl" von Professor Hösch von der Technischen Hochschule Hannover erstellt werden.
Ernst Bettermann (SPD), geboren am 27. August 1903, gestorben am 30. Juni 1983, niedersächsischer Landtagsabgeordneter von 1947 bis 1955, Landrat des Kreises Bersenbrück von 1951 bis 1955.
Der erste Bebauungsplan umfasste westlich der Kanalstraße in der Gemarkung Schleptrup
vier landwirtschaftliche Vollerwerbsstellen mit je etwa 12 Hektar und zehn Nebenerwerbssiedlungen
mit je etwa 0,5 Hektar. In der Gemeinde Engter, westlich des Engter
Baches, waren zwei Forstarbeiter-Siedlungen mit je etwa zwei Hektar vorgesehen. (Die
Baufinanzierung erfolgte über die Hannoversche Siedlungsgesellschaft.) Weiterhin
waren 35 Bauplätze auf dem dreieckähnlichen Flurstück zwischen Von-Bar-Straße,
dem Lutterdamm und östlich des Engter Baches bis zur Spitze Vördener Straße/Lutterdamm
eingeplant. (Die Finanzierung erfolgte mit der Baugenossenschaft und der
Treuhandstelle.)
Die Hannoversche Siedlungsgesellschaft mbH (HSG), Hannover, führte mit Baron Hugo
von Bar die Kaufverhandlungen über die vorgesehene gesamte Fläche von 65,94 Hektar.
Die Verhandlungen dauerten noch eine gewisse Zeit, da Herr von Bar nicht mehr
gewillt war, auf die vorgegebenen Bedingungen einzugehen.
Schließlich musste er doch dem Erlass des Niedersächsischen Ministers für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten zustimmen, da sonst mit einer Zwangsenteignung zu
rechnen gewesen wäre. Die Hannoversche Siedlungsgesellschaft bezahlte 0,06 DM
per Quadratmeter.
Für die gesamte Siedlung wurden drei Bauträger zuständig. Die Hannoversche Siedlungsgesellschaft,
Hannover, für den Bereich westlich des Engter Baches. Die Gemeinnützige
Baugenossenschaft für den Kreis Bersenbrück, Bersenbrück, erwarb von der
HSG die östlich des Engter Baches liegende Fläche von 5,01 Hektar. Die Treuhandstelle
übernahm die Finanzierung der Wohnungen für Heimatvertriebene.
Am 26. September 1951 trafen sich die zehn vorgesehenen Siedler der Nebenerwerbsstellen
mit Mitarbeitern der HSG auf dem Siedlungsgelände westlich der Kanalstraße,
um die Bauprojekte zu besprechen und die einzelnen Bauplätze zu vergeben.
Das Holz war vorher durch den Besitzer von Bar entfernt worden. Das Roden der Stubben und das Planieren der Bauplätze mussten die Siedler selber ausführen. Als im Oktober 1951 der erste Spatenstich zur Grundsteinlegung erfolgen konnte (Walter Feik, Rosengartenweg), ahnte keiner, wie sich die Siedlung Lappenstuhl entwickeln würde. Pessimisten rieten den Bewerbern ab, in die einödige Wildnis zu ziehen. Trotzdem ließen sich bauwillige Flüchtlinge, Vertriebene aus den ostdeutschen Gebieten, aber auch einheimische Heuerleute nicht davon abbringen, hier in Lappenstuhl ein neues Lebenswerk zu beginnen.
Bei der Rodung und Kultivierung des Grundstückes an der Spechtstraße. So standen die Rohbauten am Anfang im Gelände.
Mit den mühsam begonnenen Rodungs- und Planierungsarbeiten ging es zügig voran.
So waren schon bald einige Häuser im Rohbau fertig, obwohl auch noch auf den Bauplätzen
gerodet und planiert wurde.
Die nicht optimalen Wegeverhältnisse wurden durch Baufahrzeuge noch mehr in
Mitleidenschaft gezogen. So mussten die Fahrzeuge an einigen Stellen den Weg verlassen
und auf das angrenzende Grundstück ausweichen. Um an die Baustellen heranzukommen,
musste das Baumaterial manchmal schon am Lutterdamm bzw. an der
Vördener Straße auf kleinere Fahrzeuge umgeladen werden. Besonders schlimm war
es im Bereich Specht-/Kanalstraße, Rosengartenweg sowie Von-Bar-Straße ab Engter
Bach bis zu den vier landwirtschaftlichen Siedlungen. Der Engter Bach reichte zwischen
Lilie/Niederschmidt Haus Nr. 33 und Bönisch Haus Nr. 35 bis in die Von-Bar-Straße.
Das Niedersächsische Kulturamt schaltete sich ein, um die öffentlichen Belange in der
Siedlungssache Lappenstuhl mit den zuständigen Trägerschaften zu klären. Zu dieser
Tagung im März 1952 waren erschienen: Regierungsrat Dr. Soltau vom Kulturamt Osnabrück,
Direktor Zeuske von der Hannoverschen Siedlungsgesellschaft, Kreiskulturbaumeister
Usselmann und Geschäftsführer Elsässer von der Kreisbaugenossenschaft
Bersenbrück, Pastor Heinz Wasmuth und Bürgermeister Bruning, Evinghausen, von der
evangelischen Kirchengemeinde Engter, sowie Bürgermeister Hermann Steinkamp,
Engter, und Bürgermeister Heinrich Brockmeyer, Schleptrup. Den Mittelpunkt der
Sitzung bildeten die Planungen der Wegeverhältnisse im Siedlungsgebiet. Grundsätzlich
sollten die einzelnen Siedlungsträger innerhalb ihres Baugebietes das Wegenetz
ausbauen.
Eingehend befasste man sich mit den zukünftigen Schulproblemen. Ein eigenes
Schulgebäude müsste gebaut werden, da der weite Weg nach Engter über die stark
befahrene Landstraße führte. Von Pastor Wasmuth wurde vorgebracht, dass vorerst die
zukünftigen Bewohner, die zum größten Teil evangelisch waren, von Engter aus betreut
würden. Bei weiteren Planungen sollte aber der Bau einer Kirche mitberücksichtigt werden.
Die Elektrifizierung und die Entwässerung sollten von der Baugenossenschaft und
der HSG gemeinsam finanziert werden. Der Engter Bach müsste unbedingt begradigt
und ausgebaut werden.
Im gesamten Siedlungsgebiet wurde weiter gerodet und gebaut. Auch die Treuhandstelle
hatte im Bereich der Ringstraße im Januar/Februar 1952 einige Bauplätze an die
Bewerber vergeben.
Die Bedingungen für die Vergabe des Siedlungsgeländes südlich der jetzigen Von-Bar-
Straße wurde von der Baugenossenschaft am 29. März 1952 vorgelegt. Den Baubewerbern
wurden am 9. April 1952 die Parzellen zugewiesen. Die Bautätigkeit begann in
diesen Bereichen ab Juni 1952.
Am 4. Dezember 1952 konnte zum ersten Mal in Lappenstuhl das elektrische Licht eingeschaltet
werden, nachdem Mitarbeiter der NIKE Monate vorher die Stromleitungen gelegt hatten.
Bis Ende des Jahres 1952 waren fünfzehn Häuser im gesamten Siedlungsgebiet bewohnt.