Etwa 1000 Jahre alt kann der Name Lappenstuhl sein, denn die geheimnisvolle Bedeutung
führt weit in die Vergangenheit. Im mittelalterlichen Sprachgebrauch hat der Ausdruck Stuhl immer die Bedeutung
Richtstuhl (Luther: vor dem Stuhle Gottes).
Der Heimatforscher Edgar F. Warnecke schreibt in seiner Untersuchung "Engter und
seine Bauernschaften":
"Die ursprüngliche Siedlung (der Hofstellen Nr. 8 und 9 in Schleptrup- Eikern) kann in Anlehnung an einen Freistuhl errichtet worden sein. Die im Jahre 1723 ,Auf dem Hilgen Stuel' genannte Ackerfläche des Eiker Esches, die zur Hofstelle Nr. 9 gehört, lässt dies vermuten. [...] Wir können annehmen, dass sowohl der Urhof zu Eikern wie auch der Hof Borgstede und Böllmann in fränkischer Zeit angelegte Siedlungen sind, deren Stellung sowohl mit dem Freigericht als auch mit der Schutzanlage nordwestlich der Höfegruppe in einem gewissen Zusammenhang steht. [...]"
Freigerichte bestanden seit der Zeit Karl d. Gr. (um 800 n. Chr.) neben den Gogerichten.
Die Gografschaften waren die aus frühzeitlicher Verfassung des alten
Sachsenvolkes hervorgegangenen Volksgerichte. Der Gograf übte die hohe peinliche
Gerichtsbarkeit, den Blutbann, aus.
Der Freigraf war der Vollstrecker der dem König vorbehaltenen Strafgerichtsbarkeit
und der Inhaber der bürgerlichen Gerichtsbarkeit über das Gut der Freien. Das Freigericht
war von Karl d. Gr. nur für die Sachsenlande angesiedelten Franken und die unter
Frankenrecht lebenden Sachsen gedacht.
Mit dem Verfall der Königsmacht wurden im Hochmittelalter aus den Freigerichten
die Femegerichte, die sich mit den Schrecken des Geheimnisses umgaben.
Der Lappenstuhl muss gedeutet werden als Graf Lamprechts Richtstuhl.
Da sich hier in der Nähe auch eine Bezeichnung "Galgenhügel" befindet, kann es so
gewesen sein.
Für die Bewohner des Kirchspiels Engter war früher Lappenstuhl, auf plattdeutsch "Lappenstouhl", eine Grundstücksbezeichnung im Eikerfeld/Ahrensfeld, Gemarkung Schleptrup. Eigentümer war Baron Hugo von Bar, Barenaue/ Kalkriese, zu damaliger Zeit nur unter "de Häere" (der Herr) bekannt. Nach geschichtlichen Unterlagen wird Lappenstuhl (Lappenstouhl) im Jahre 1402 erstmals erwähnt. Im "Geschichtlichen Ortsverzeichnis des ehemaligen Fürstbistums Osnabrück von Günter Wrede" ist u. a. aufgeführt:
. . . quondam Gerardi Lampenstol, Ksp Engter, bL. an Niemann 1402 (OGQ V S 75), ist ein Hinweis auf bestehende Stätte in L. Kl Malgarten verk. das Gehölz Lappenstol (vg. Mtbl 1876) an v Bar 1426 (Dep 37 a Nr 2; v Bar Urk Nr. 61) (offenbar nur zT), Sundern (Stüve II S 642); Bes Rechte des Kl gegen Ansprüche der v Bar gehalten 1554 (OGQ III S 78); Vergleiche wegen Abgrenzung 1592 (Dep 37 a Nr 5). Gründung eines Heu-Hauses im L. durch v Bar 1723 (Herzog S 65)."
Im Jahre 1426 erwarb Hugo von Bar ein Grundstück vom Kloster Malgarten. In den "Stammtafeln und Nachrichten von dem Geschlechte der Bar, de Bare, de Barn, de Baer, von Baar, jetzt von Bar im Fürstenthume Osnabrück" heisst es wörtlich:
"Hugo belehnt im Jahre 1426 Engelberten von Langen mit dem Zehnten zu Dalum im Kirchspiel Hesepe und kaufte das im weißen Felde und Kirchspiel Engter belegene Gehölz, der Lappenstuhl genannt, für 36 Mark Osnabrückischer Pfennige vom Kloster Malgarten. Der vom Probste Berend Schürmann und dem Convente auf Pergament mit anhängendem großen Siegel ausgefertigte Kaufbrief ist anno domino 1426 feria sexta dominicam qua cantatur judica datirt."
So kann angenommen werden, dass "Lappenstuhl" in den Unterlagen des Klosters
schon früher erwähnt worden ist. Alte Unterlagen liegen im Kloster und der Klosterkammer
in Hannover nicht mehr vor. In Hannover sind die Archive durch Kriegseinwirkungen
zerstört worden.
Als im Jahre 1426 von Bar das Grundstück "Lappenstuhl" vom Kloster Malgarten kaufte,
verblieb eine Fläche von ca. 16 Hektar im Besitz des Klosters.
Während der Besatzungszeit der französischen Truppen unter Napoleon kam es 1803
unter anderem zur Einziehung der Kirchengüter sowie zur Unterordnung der Geistlichkeit
unter den Staat.
Durch die Aufhebung der geistlichen Fürstentümer in Deutschland erhielten die Klosterkammern das Verwaltungsrecht der Klöster. Die Grenze zum Grundstück der Klosterkammer hier in Lappenstuhl wurde durch Steine mit den Buchstaben K K und einer laufenden Nummer markiert (siehe Foto). Im Jahre 1959 verkaufte die Klosterkammer an die vier anliegenden landwirtschaftlichen Siedlungen je ca. vier Hektar. Die Kaufverträge sind datiert auf den 20. April 1960. Das im Ahrensfeld, Gemarkung Schleptrup, liegende Grundstück hatte folgenden Grenzverlauf: Beginnen wir bei der Kreuzung Lutterdamm/Kanalstraße. Die verlängerte Spechtstraße führt auf die Straße "Im Ahrensfeld" (früher Vosskuhlendamm), rechts weiter den Bruchgraben an der Straße "Im Ahrensfeld" entlang, gerade durch bis zur Eper Grenze (erkennbarer Wall). Wenn man aber auf der Straße "Im Ahrensfeld" bleibt, führt eine Brücke über den Engter Bach, von dort in östlich-südöstlicher Richtung (bachaufwärts) bis zur Kanalstraße (etwa Kreuzung Malgartener Damm/Kanalstraße), dann die Kanalstraße entlang bis zur Spechtstraße/Lutterdamm. Die jetzt beschriebene Fläche war laut alten Karten und Unterlagen "Lappenstuhl". Weiterhin besaß von Bar ein Grundstück in der Gemarkung Engter. Die beiden Flächen waren durch ein Grundstück von Bauer Vullbrock, Eikern auf Schleptruper Gebiet, getrennt.
Um die Bedingungen der eigenen Jagd erfüllen zu können, kaufte von Bar im Bereich
der Kreuzung Von-Bar-Straße/Kanalstraße einen Streifen der Fläche von Bauer
Vullbrock dazu. So konnte er die erforderlichen 75 Hektar in einer Fläche nachweisen.
Mit der Zeit bürgerte sich für das im Besitz von Bar befindliche Grundstück in der Gemarkung
Engter auch die Bezeichnung "Lappenstuhl" ein.
Im gesamten Eikerfeld (Ahrensfeld) standen Kiefern, Eichen, Buchen, Birken usw., ein
schöner durchwachsener, dichter Mischwald. Der Boden war sandig, aber durch aufgestautes
Wasser der durchziehenden Gräben sumpfig. Deshalb hatte man auch Rabattengräben
von ca. 80 cm Tiefe in Abständen von ca. fünf bis zehn Meter ausgehoben.
Bis Ende des Zweiten Weltkrieges (Mai 1945) war ein dichtes, fast undurchdringliches
Waldgebiet, vom Lutterdamm, Vosskuhlendamm (heute Im Ahrensfeld), bis zur
Wittenfelder Allee und Vördener Straße vorhanden, an einigen Stellen durch Wiesen
unterbrochen
Friedrich und Gustav Vor dem Berge erzählten (sie wohnten damals im Kiekhus,
nähe Igelsbrücke, früher Hessensandbrücke), dass ca. 1910 eine Kuh in Eikern
ausgerissen sei. Der Kanal war damals noch nicht gebaut. Obwohl man die Kuh mit
mehreren Personen verfolgte und suchte, konnte sie nicht gefunden werden. Erst Monate
später wurde sie zufällig durch Waldarbeiter im dichten Gehölz in Lappenstuhl
zwischen keilförmig gewachsenen Bäumen verhungert entdeckt.
Früher durchquerten mehrere Fuß- und Fuhrwege den Wald. Auch die jetzige Von-Bar-
Straße schlängelte sich von der Kreuzung Kanal-/Von-Bar-Straße als Fuhrweg durch
den Wald.
Mindestens zwei Häuser standen im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert schon
in Lappenstuhl.
In einer Karte der "Schleptruper Mark, aufgemessen im Jahre 1855 vom Geometer
Sievers" ist im westlichen Teil von Lappenstuhl das "Heuerhaus Barenaue"
eingezeichnet. Dieses Haus wurde zuletzt von der Familie Schnieder, Urgroßeltern
von Zimmerermeister Friedrich Schnieder, Eikern, bewohnt. Der Großvater
ist dort am 12. August 1876 geboren. Er musste mit seinen Geschwistern zu Fuß
die Schule in Engter besuchen. Nachdem das Haus einige Jahre unbewohnt war, ließ
der Besitzer von Bar es ca. 1912 abreißen. Bei Rodungsarbeiten im Jahre 1952 fand man
noch Reste der Fundamente und Teile der Lehmdiele. Im Dielenbereich lagen noch Bügelsägeblätter.
Etwas abseits von den Fundamenten war noch ein kleiner Feldbackofen
vorhanden. Das Haus stand dicht am Engter Bach, ca. 200 Meter südlich der jetzigen
Brücke Von-Bar-Straße, von hohen Eichen umgeben. Die hohen, dicken Eichen, die dort
im Wiesenbereich standen, sind 1946 gefällt und als Kriegsentschädigung (Reparationskosten)
nach England geliefert worden.
Ein weiteres Haus stand an der Vördener Straße, genau im Winkel von Engter kommend
links vor dem Lutterdamm. Hier lebte lange das Ehepaar Meyerholt. Ältere Bewohner
des Kirchspiels sprachen immer von "Meggerholt's Dannen". Eine Kraftposthaltestelle
muss es schon damals gegeben haben, denn am Giebel des Hauses ist auf dem Bild ein
entsprechendes Schild zu erkennen. Im Jahre 1929 ließ der Besitzer Baron von Bar das
unbewohnbar gewordene Haus entfernen. In den "Bramscher Nachrichten" berichtete
Wilhelm Aulbert (Ju Wilm) unter der Überschrift "Königreich Lappenstuhl".
Nu lustert es tou. Kottens dröip ick Schüsslers Willem, gie kennt em olle, düssen "Karajan" ut Vöeden. Siet een paar Johr is hee "fahnenflüchtig" un wuheent nu in Brockum. Nu votellde he mie, dat hee auk dor dee "Braumsken Naurichten" harre un wenn hee dann van Lappenstouhl wot läde, em dee Traunen inne Augen kweimen. Siene Kinnertiett harre hee in Lappenstouhl vobracht; van 1918 bät 1929 uppe Twissmark wuhent, dordür was hee de eeste Inwuhner van Lappestouhl. Sieksmäggers Hämmann was sienn eenziger Nauber wien. Süss siet un siet kein Hues. Af un tou harrn in Holde giegenuwer, up son fein sünnigen Platz, auk woll un paar "Fahrende" eehre Wagen "parked" hat. Wenn düsse "witlüftige Besöik" dann naun parr Dage Platte putzed harre, harre Willem eeste dee Höihner telln most. Willem mende, os see 1929 no Braumske tuegen wön, harre in düt Landhus kein Minske mähr inwollt, un von Bar harre et aufbriaken lauten. Well konn daumauls auk auhnen, dat Lappenstouhl 25 Johr läter un "Kleinstadt im Grünen" wöet. Nu giff et jä ollerwächens Ehrenbürger, un sau wie ick denn Siedlerverein kenne, lätt dee sick wot infalln.
Repro (ursprünglich): Aulbert -- dig. aufbereitet: Peterson
Grafen häwe jä nu oll un paar; owe mann konn Willemm jä bie de neichsten Vosammlung toun "Twissmark-Ehrenritter" schlaun. Weil Sieksmäggers Hämmann ower auck tou dee "Ureinwohner" höet, steeht em de "Adjutatnten"-Posten tou. Bie de Krönung bruke we dann bloß non paar "Jungfrauen". Kiek, dann küen wie us hännig "Königreich Lappenstuhl" näumen. Dor denked es uwer nau. Ju Wilm
Düt Hues was dat eeste in Lappenstouhl. Ümme 1810 bowwet un 1929 aufbruaken. Eigentümer was Baron von Bar. Dee leßte Pächter was Familie Schüssler. Dee beeden Frumslüe up'n Belde: links Zeitz Marie, rächts Schüsslers Liese mit Rühn "Max". Von Giebel un Schild "Kraftpost Haltestelle". Daumauls föhde ol un Bus vann Damme no Ossenbrügge. Rächts van Huese dee lösse Saut (Brunnen), mit'n paar Staakens ümmetou affsichert.
Die beim Militärflugplatz Vörden stationierten Luftwaffensoldaten stellten in den Jahren 1943 bis 1945 bis an den Rand von Lappenstuhl in ausgehobenen bzw. aufgeworfenen Schutzwällen Flugzeuge auf, damit diese von feindlichen Aufklärungsflugzeugen nicht erkannt und beim Abwurf von Bomben durch Splitter nicht beschädigt würden. Die Sandwege waren zum Teil mit Schotter und Asphalt versehen, damit die Flugzeuge vom Flugplatz schnell in die Boxen befördert werden konnten. Bomben sind in und um Lappenstuhl reichlich abgeworfen worden, davon zeugen jetzt noch einige Bombentrichter. Da es sich hier, wie schon erwähnt, um große Waldgebiete handelte, waren fast nur materielle Schäden zu beklagen. Durch die gewaltigen Druckwellen, die beim Abwurf und der Detonationen der Luftminen entstanden, platzte bei den Wildtieren die Lunge und sie fanden einen qualvollen Tod.
Im März 1945, kurz vor Kriegsende, schossen englische Begleitjäger ein deutsches Jagdflugzeug Me 110 ab. Beim Absturz in "Dunkers Wiesen" kamen die beiden Besatzungsmitglieder ums Leben. Die Aufschlagstelle wurde bei Planierungsarbeiten 1952 entfernt. Das Grundstück gehörte früher einmal Bauer Dunker, Schleptrup, Hinter dem Berge. Baron von Bar kaufte es 1914, siehe Vertrag vom 8. September 1914.
Die in den Wegen vorhandenen Schotter- und Asphaltstellen sind 1946/1947 aufgebrochen, und das Material ist in benachbarten Gemeinden zum Ausbessern der Gemeindewege benutzt worden. Wir hoffen und wünschen, dass unsere schöne Siedlung Lappenstuhl eine derart traurige Zeit nicht miterleben muss.
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